2010 wurde das "Oberharzer Wasserregal" als "Oberharzer Wasserwirtschaft" von der Unesco zum "Unesco-Weltkulturerbe" erklärt.

Zum Bestand des Weltkulturerbe "Oberharzer Wasserwirtschaft" mit 107 Teichen, 310 km Gräben und 31 km Wasserläufen gehört auch der "Lautenthaler Kunstgraben". Deshalb veröffentlichen wir hier zu diesem besonderen Bauwerk einen Beitrag, der unserem 2002 herausgegebenem Buch "Lautenthal -Bergstadt im Oberharz- Bergbau- und Hüttengeschichte" - entnommen wurde. Leider ist das Buch vergriffen. Eine Neuauflage haben wir zur Zeit aus Kostengründen zurückgestellt.

6.3 Der Lautenthaler Kunstgraben
Autoren: Prof. Dr.-Ing. Mathias Döring, Dr.-Ing. Manfred Hädicke

Energiequelle und Lebensader des Bergbaus war seit 1570 rd. 400 Jahre lang der über 8 km lange Lautenthaler Kunstgraben.

Idee, Entwurf und Bauleitung wird dem aus Thüringen zugewanderten Lautenthaler Berggeschworenen Valentin Wiedenhöfer (Leiter des Bergrevieres von 1551 bis 1592) zugeschrieben. Nach dem Niedergang des Bergbaus während und in der Folge des Dreißigjährigen Krieges sowie der Trockenheit von 1666 bis 1678 wurde der Graben 1681 mit Gründung der Gewerkschaft Lautenthals Glück

"vom Wildenmann her fast ganz neu wieder gefasset, da er bei stilliegendem Bergwercke (in) Lautenthal öde (ge)worden" (CALVÖR 1763).

Bis 1967 versorgte er dann 286 Jahre lang ohne Unterbrechung die Wasserräder der Berg-und Pochwerke, der Erzwäschen, Hütten und Mühlen, die moderne Erzaufbereitung des 19. und 20. Jahrhunderts und die beiden Wasserkraftwerke. Ursprung des Grabens war das Mundloch des vermutlich vor der Pestzeit (1349) begonnenen und ab 1524/25 wieder hergestellten 13-Lachter-Stollens bei Wildemann, der bis zum Durchschlag des Tiefen Georg-Stollens (1799) die Wasser fast aller Gruben von Wildemann, Zellerfeld und Clausthal löste. Der Graben überquerte die Innerste auf einem Gefluder (hölzerne Rinne). Die Wasserräder der Wildemanner Mühle wurden damals noch über einen eigenen Mühlengraben aus der Innerste versorgt (Abb. 5).

Riss Oberharzer Gruben

Innerste-Wasser konnte zunächst nicht in den Graben geleitet werden, weil dieses von den Hüttschenthaler Gruben beansprucht wurde, die den westlichen Spiegeltaler Gangzug abbauten. Erst als um 1720 die neuen grossen Kunst- und Kehrräder der Gruben Weintraube, Hüttschenthalsglück und Glücksgarten zusätzlich an den Lautenthaler Kunstgraben angeschlossen werden sollten, wurde das heute noch in Teilen vorhandene Wehr (oberhalb des heutigen Bahndammes) genutzt und das an der Mühle vorbeiführende Kunstgrabenstück abgeworfen (Abb. 6, 7). Mit dem jetzt reichlich fließenden Innerste-Wasser war nicht nur der Hüttschenthaler, sondern auch der Lautenthaler Bergbau auf Dauer zuverlässig versorgt.

Wasserräder Spiegeltaler Gangzug

Reste Innerste-Wehr

Den Kunstgraben begleitet auf seiner ganzen Länge der Grabenweg (Abb. 8).

Querschnitt Lautenthaler Kunstgraben

Hier ging der Grabenwärter entlang, entfernte Holz und Steine aus dem Wasser, öffnete bei Hochwasser die Fehlschläge und hielt Bauwerke und Mauerwerk instand. Im Winter musste der Graben mit Hecke (Fichtenreisig) abgedeckt werden, um das Einfrieren und Schneeverwehungen zu verhindern. Nach gut zwei Kilometern am Steilhang des Adlersberges erreicht der Kunstgraben, nun schon 18 m über der Innerste, den 60 m langen und nur 1,60 m hohen Wasserlauf (Stollen) Adlersberg-Süd (Abb. 9).

Wasserlauf Adlersberg Süd

Er wurde 1733 aufgefahren, weil der Graben an der schroffen Felsnase des Berges immer wieder undicht wurde. Häufig kam es auch zu Hangrutschungen. Sein Einlauf-Mundloch wurde 1972 zugeschüttet. Es folgen die beiden Wasserläufe Adlersberg-Nord (125 m) und Wöhlersberg (seit 1753, 65 m lang, Abb. 10),zahlreiche Fehlschläge und mehrere Bacheinleitungen, bis der Graben nach 7,3 km das Bergbaugebiet von Lautenthal erreicht. Hier wurde während der Blütezeit des Lautenthaler Bergbaus im 18. Jhd. ein Zufluss von 10,8 Kubikmeter pro Minute allein aus dem Kunstgraben benötigt, dessen Wassertiefe damals etwa 30 cm betrug.

nördliches Mundloch Wöhlersberg

Die Vermessung eines Grabens

Der Höhenunterschied zwischen dem Mundloch des 13-Lachter-Stollens in Wildemann und dem Maaßener Kunstschacht in Lautenthal betrug nur 14,67 m, das Gefälle somit nur 1,7 m auf 1 km (17 ‰). Um ein so geringes Gefälle zuverlässig herstellen zu können, war eine ausgereifte Vermessungstechnik erforderlich. Wie dies um 1570 bewältigt wurde, wissen wir nicht. Aus dem Jahre 1727 ist jedoch eine Skizze bekannt, die das "Abwägen" eines Grabens zeigt: Ausgehend von einem Holzpflock wurde die Höhe des nächsten Pflockes durch horizontales Spannen einer Schnur ermittelt. Die Waagerechte bestimmte man durch das Einhängen eines "Gradbogens" in der Schnurmitte, der mit einem Lot versehen war. Stimmte das Lot mit der 0°-Markierung des Gradbogens überein, dann lagen Anfang und Ende der Schnur auf einer Höhe. Das gewünschte Gefälle konnte nun durch entsprechende Einschlagtiefe des nächsten Pflockes erreicht werden. Beim Lautenthaler Kunstgraben mit 0,17 % Gefälle betrug der Höhenunterschied der Pflöcke bei 10 m Abstand 1,7 cm. (Gekürzt nach SCHMIDT 1989).

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